Geschichte des Zunfthauses
Im düsteren Gewölbekeller ein geheimnisvoller Brunnen
Zur Geschichte und Lage des Anwesens Koch-Raggenbach in der Kaufhausstraße 3, dem Zunfthaus der Narrizella Ratoldi
Von Kunsthistoriker Christoph Stadler
Die Gebäude Kaufhausstraße Nr. 1 (städtisch) und Nr. 3 (privat) gehören in den Kernbereich der hochmittelalterlichen Stadt und ihre Parzellen dürften bereits im 10. Jahrhundert bebaut gewesen sein. Einerseits hinter dem Rathaus, andererseits an einem wichtigen Platz gegenüber dem Kornhaus (heute Sonne-Post bzw. Volksbank) und der Münzschmiede gelegen, zählten beide zu den prominentesten und somit auch begehrtesten Objekten der Altstadt. Insbesondere wenn man sich bewusst wird, dass der Marktplatz erst in der Barockzeit in seiner heutigen Form ausgebildet wurde.
Die Platzsituation ist heute noch gut ablesbar. Hier fanden die wichtigen Kornmärkte statt. Das gegenüberliegende freigelegte Fachwerkhaus (rot gestrichenes Fachwerk, Anwesen Kaufhausstraße 2, ehem. Kaut´sche Anwesen, heute Pizzeria Roma) wurde zum Beispiel von Reichsvogt Bosch erbaut.
Unweit davon hatte die Kartause Ittingen in einem romanischen Wohnturm ihren Amtssitz und auch die Zunftstube der Rebleute „St. Christoph“ war hier zu finden. Das um 1860 neoromanisch umgebaute ehem. Gasthaus Lamm war noch bis ins 20. Jh. hinein eines der wichtigsten Gasthäuser der Stadt.
Anzumerken ist, dass Nr. 1 eigentlich aus zwei Gebäudeteilen besteht: Das Haupthaus zur Kaufhausstraße und ein fast eigenständiger Anbau (1485?) mit freigelegtem Fachwerk und großem Gewölbekeller nach Osten bzw. zum Haushaushof hin.
Das städtische Objekt Kaufhausstraße 1 wird bereits 1485 als Besitz der Dompropstei Konstanz erwähnt. Das zum Rathaushof hin freigelegte Fachwerk mit seinen Überplanungen scheint dieser Zeit anzugehören. 1631 tauchen Dompropstei und Kloster Heiligkreuzthal ihre Häuser. Das Kloster lässt im Stil der Zeit vor allem den zur Kaufhausstr. hinereichenden Gebäudeteil umformen; unter anderem Einzug einer besonders schweren und bemerkenswerten Holzdecke (1. OG) mit Parallelen zum Schloss Heiligenberg. Nach der Säkularisierung in Privatbesitz erwirbt Ende des 19. Jhs. der Buchbinder Ferd. Widder das Anwesen.
Das Anwesen Koch (Kaufhausstr. 3) könnte der Scheunensituation (siehe Eingangsbereich) zum Objekt Kaufhausstr. 1 dazugehört haben? Zeitweise scheint das Haus (oder das benachbarte Lamm bzw. der westliche Teil des städtischen Hauses) auch der berühmten Kaufmannsfamilie Pellerin (Kaspar Pellerin ließ in Nürnberg das „berühmteste deutsche Renaissance-Bürgerhaus“ errichten) gehört haben (Kaufvertrag 1485).
Nr. 3 wurde nachweislich (dendrodatiert) um 1511 erbaut. Sowohl die noch sichtbaren Überplanungen (Scheunenteil, Dachstuhl) des Fachwerks als auch der gewölbte Keller mit einem zugeschütteten Brunnen und spätgotischen Kragsturz-Portal sind dieser Zeit zuzurechnen.
Die ehemalige Scheune wurde in der Barockzeit bzw. im 19. Jh. mit einem Wohnteil teilweise ausgebaut. Die volle Scheunenhöhe blieb im Flurbereich mit 3.40 Meter sichtbar. Von diesem Haus erstreckt sich entlang der westlichen Grundstücksgrenze eine zum Teil über 6 Meter hohe Wackenmauer (Brandschutz, ev. teilweise Reste der romanischen Marktsiedlung) nach Süden bis zur Seestraße (Achtung: Baufuge im unteren Drittel). An dieser Parzellenmauer wurde 1908/11 eine langgezogene zweigeschossige Remise/Werkstatt errichtet.
Ein Grenzstreit mit dem südlichen Nachbar (Adler) führte dazu, dass das Anwesen den westlichen Teil des Adlers zugeschlagen bekam und somit heute idealer Weise über eine Zugang (Scheunentor) von der Seestraße her verfügt. Wenige Jahre zuvor hatte man beim Teilausbau des Dachstuhls die mittlere „Uffzugsgaube“ zur Kaufhausstr. abgebrochen und durch die drei noch erhaltenen kleinen Spitzgauben ersetzt.